Finger klamm
geschlossen um den Henkel des Kanisters
Heizöl holen
von der Tankstelle
die Hände wechseln beim Tragen
immer eisiger, immer klammer der Griff
abstellen, Reifluft ausatmen
rechte Seite, weiterkämpfen, linke Seite,
der kleine Kinderkörper wankt,
Schneematsch am Gehsteig,
noch weit bis zum Haustor
Handelskai 418
ein ächzendes Geräusch beim Öffnen,
wieder abstellen, loslassen,
Stiefel abstampfen, die Einfahrt
abweisend, kein heimeliges Eintreten
einen Stock höher die Wohnung,
im Vorzimmer eine Garderobe,
ein brauner Filzvorhang, als Schutz
die Socken gleich nass nach dem Ausziehen
das Fenster zum Hof,
Eisblumenbedeckt, gefroren,
im Kastel unter der Fensterbank
Fetzen, Schuhputzzeug, Hausrat
jetzt nur nicht ausschütten
das Öl durch den Trichter in den Einfüllstutzen
gießen, vorsichtig, nicht ausschwappen
dickes, öliges Schwarzes fließt,
gurgeln, im Filter ein See,
abrinnen, Zeitungspapier am Boden
ausgelegt, der Ofen ein kalter Körper,
die Hände riechen nach Öl
ein Anzündfenster, eine Öffnung
blaue, kleine Flamme
Knistergeräusche, ein Haken,
eine schwere Eisenplatte
metallenes Schaben
die Öffnung, der Abzug,
etwas größer drehen,
knallen, orangelodern,
gelbe Flammen züngeln,
ein Sturm, ein Toben,
ein Knacksen, die Hände
hinstrecken zur Wärme,
endlich, die Seitenwand
des Ofens wird wohlig,
anlehnen, am Sessel sitzend,
der Winterplatz
das Kind bemerkt seine
tiefe Müdigkeit
……………………………………………..
Am Land bei den Großeltern war im Winter immer viel Schnee. Das Zimmer, in dem die beiden Geschwisterkinder schliefen, war eiskalt und roch nach schimmeligen Erdäpfeln.
Die schnarrenden Geräusche der Schneeschaufel vor der Terrassentüre weckten die Kinder. Das laut ausschnaufende Begleitatmen des Großvaters klang vertraut und beruhigend. Sein Morgengruß über den Zaun zur ebenfalls Schneeschaufelnden Nachbarin eröffnete eine gemeinschaftliche Winterbetriebsamkeit, hin-und herrufen, fröhliche Dialektmelodie. Die Kinder wickelten sich noch fester in die voluminösen Tuchenten, in der Bettwärme freuten sie sich schon auf die Abenteuer des Tages: Rodeln auf selbst geeisten Schneehügeln im Garten, Iglu bauen, Schneeballschlachten mit den Nachbarsbuben.
Wenn die Kinder morgens zum Badezimmer liefen, war der Steinboden eiskalt. In der Wohnküche war schon eingeheizt und die Großmutter kochte bereits, am Ofen standen Reindl verschiedener Größe, aus allen duftete es. Auch der Kaffee wurde gekocht und roch so gut nach Kaffee. Die Kinder tranken Malzkaffee, zum Frühstücksessen wünschten sie sich harte, aufgeschnittene, unglaublich würzige Wurstradeln und Käsestücke, der Großvater, nachdem er mit kalter Schneeluft wieder zurück ins Haus gekommen war, bröckelte begeistert hartes Brot in sein dickes Kaffeehäferl und löffelte es mit dem Suppenlöffel laut schlürfend aus.
Hier war das Frieren und die Kälte eingebettet in beschützte Winterglückseligkeit.
Im zurückgelassenen Wien wartete nach den Ferientagen wieder das ohnmächtig machende Frostfrieren, freudlos und grau. Sie, die nun erwachsene Frau, entdeckt ihre Kindheitseinsamkeit, erkennt sie als inneres Frieren wieder, unbeschützt, ausgeliefert, wie tapfer sie doch war oder sein musste. Jeder in seiner eigenen Kältewolke. Stolpern mit dem Heizölkanister, zur schier endlos weit entfernten Tankstelle, das Tragen, das Ertragen, das Sich-bemühen, das mit den Tränen kämpfen, das brave Kind, das einsame Kind.
Ich betrete wieder das Wohnzimmer, Blick nach rechts, das Ofeneck, an der Wand hinter dem Ofen das gestickte Bild mit einer auf dem Spinett spielenden Barockdame und einem lauschenden Jüngling zu ihren Füßen. Daneben ein kleineres Bild, ein Scherenschnitt eines sitzenden Vogels, ein Sinnspruch von Don Bosco:“ Fröhlich Sein, Gutes Tun und die Spatzen pfeifen lassen!“ Ich setze mich wieder auf den Sessel neben dem Ofen, schaue vor mich hin, müde, wärme die Hände am Ofen, wische einen ausgepatzten Ölfleck schnell weg mit dem weichen Tuch, das dafür immer dort bereit liegt. Mein Blick hinter nun geschlossenen Augen ruht auf den beiden Bildern hinter mir, ich schlafe fast ein. Das Knacken und Knacksen im Ofen, regelmäßig, beruhigend. Ich hoffe, dass diese Minuten noch ein wenig anhalten. Wenn ich den Schlüssel in der Eingangstüre höre, werde ich schnell ins Kabinett gehen und die Türe hinter mir schließen und mich über meine Schulhefte beugen. Mein Vater wird leise vor sich hin fluchend und torkelnd seine Schuhe ausziehen, er hat die Kälte und die Verzweiflung mit nach Hause genommen. Ein bisschen dauert es noch, bis er irgendein Vergehen von uns Kindern bemerkt haben wird und sein Zorn über uns hereinbrechen wird. Was muss der Winter aber auch so kalt und grausam und endlos lang sein? Mein Hoffnungsschimmer: es kommen ja die Osterferien bei den Großeltern!